Vor kurzem entschied die Bundesregierung, den Ausbau des öffentlichen WLAN-Netzes voranzutreiben. Um den Anbietern mehr Rechtssicherheit zu bieten, soll ein neues Telemediengesetz beschlossen werden, das diese gegen Rechtsverstöße Dritter schützt. Die Idee der Verantwortlichen ist es, Betreiber von Cafés, Bibliotheken und anderen öffentlichen Einrichtungen, die zuvor keine WLAN-Hotspots angeboten haben, da sie befürchteten, für Rechtsverstöße fremder Nutzer haftbar gemacht werden zu können, mehr Sicherheit zu garantieren. Ob die Maßnahme fruchtet und tatsächlich zum Ausbau öffentlicher WLAN-Hotspots führt, wird jedoch von zahlreichen Wirtschaftsverbänden in Frage gestellt. Der vom Bundeskabinett bereits verabschiedete Gesetzesentwurf wird voraussichtlich erst im zweiten Quartal 2016 in Kraft treten. Spätestens dann wird man sehen, ob die Pläne der Bundesregierung auf fruchtbaren Boden stoßen.
Globaler Stand
Der deutschen Bevölkerung stehen im Vergleich zu den Einwohnern der meisten anderen Länder immer noch sehr wenige öffentliche Internetzugänge zur Verfügung, weshalb viele unterwegs auf mobiles Internet zurückgreifen müssen. So gibt es beispielsweise in Estland deutlich mehr WLAN-Hotspots. Estland ist allerdings gegenüber fast allen Ländern hinsichtlich des Ausbaus des WLAN-Netzes überlegen. Nahezu jeder Ort des Landes verfügt über zumindest einen WLAN-Hotspot – selbst die kleineren Dörfer. Auch England und im Speziellen London ist in Sachen Ausbau des WLAN-Netzes weit fortgeschritten. Das liegt vor allem an den Olympischen Sommerspielen, die 2012 in der englischen Hauptstadt ausgetragen worden sind. Allerdings ist Deutschland bezüglich der WLAN-Abdeckung auch nicht das Schlusslicht. Eine Studie des Industrieverbands eco ergab nämlich, dass in Russland, China und Japan der öffentliche Internetausbau sogar noch schlechter ist als in der Bundesrepublik. Diese drei Länder belegen nach Deutschland die hinteren drei Plätze der Studie.
Kritik durch Wirtschaftsverbände
Aus Wirtschaft und Politik gibt es zahlreiche Stimmen, die den Gesetzesentwurf kritisch gegenüberstehen. Ein Kritikpunkt sind mögliche Schwierigkeiten bei der technischen Umsetzung. Durch das neue Telemediengesetz und den Schutz gegen die von Dritten begangenen Rechtsverstöße wäre eine Vergabe individueller Zugangskennungen an jeden Hotspot-Nutzer notwendig, was schlichtweg nicht möglich ist. Ebenso könnte es laut dem Handelsverband Deutschland (HDE) zu Problemen hinsichtlich der Digitalisierung im Einzelhandel kommen.
Möglicher Verstoß gegen EU-Recht
Kritik gab es auch von Seiten einiger Verbraucherschützer. Diese merkten bereits im Juli dieses Jahres an, dass die in der Europäischen Union geltende E-Commerce-Richtlinie durch den Gesetzesentwurf verletzt werden würde. Die E-Commerce-Richtlinie besagt, dass einzelne EU-Mitgliedsstaaten keine weiteren Bestimmungen auf nationaler Ebene beschließen dürfen. Aus diesem Grund versuchen nun Verbrauchschützer und Wirtschaftsverbände gemeinsam, den Ausbau öffentlicher WLAN-Hotspots gleich bei der EU-Kommission durchzusetzen. Ein Verstoß gegen die E-Commerce-Richtlinie soll dadurch vermieden werden.